Widmung (1)
Wem schenke ich das neue, hübsche Buch, das eben mit einem trockenem
Bimsstein geglättet worden ist. Dir Cornelius: Denn du warst es gewohnt
zu glauben, dass meine Kleinigkeit irgend etwas wert sei, schon damals
als du es als einziger Italiens, beim Jupiter, gewagt hast die gesamte
Weltgeschichte in drei gelehrten und arbeitsaufwendigen Büchern zu
entfalten. Daher nimm dieses Buch für dich, was auch immer es bedeute
und was auch immer es ist : Das soll immer bleibe, mehr als ein Jahrhundert,
oh du schützende Muse.
Reiselied (46)
Schon bringt der Frühling die laue Wärme zurück, schon
wird die Wut des Tag und Nacht gleichen Himmels durch die angenehmen
Lüfte des Zephir still. Die phrygischen Ebenen und die fruchtbaren
Böden der glühend heißen Stadt Nicea sollen verlassen werden,
Catull, wir wollen zu den berühmten Städten Asiens fliegen. Schon
wünscht der vor Vorfreude unruhige Geist, sich auf die Reise zu machen,
schon regen sich froh die Füße vor Eifer. Oh süße
Zusammenkünfte der Kameraden, die ihr von Zuhause zugleich aufgebrochen
seid, lebt wohl, die in verschiedenen Weisen auf verschiedenen Wegen zusammenfinden.
Am Grabe des Bruders (101)
Nachdem ich durch viele Völker und viele Meere gefahren bin, komme
ich zu diesem unglücklichen Totenopfer, mein Bruder, damit ich dich
mit der letzten Gabe anläßlich des Todes beschenke und damit
ich die stumme Asche vergeblich anspreche, da mir ja das Schicksal dich
selbst genommen hat, ach armer, mir all zu früh entrissener Bruder!
Jetzt jedoch nimm diese Gabe an, die nach althergebrachter Sitte der Vorfahren
für die traurigen Totenopfer überliefert worden ist, diese Gaben
die von brüderlichen Tränen triefen, und sei für immer gegrüßt
und lebe wohl .
Heimkehr (31)
Wie gerne und wie erfreut erblicke ich dich, Sirmio, Augapfel der Halbinseln
und Inseln, die auch immer der für beide zuständige Neptun in
den klaren Seen und dem weiten Meer trägt, ich freue mich kaum mir
selbst glaubend, daß ich Thymia und die bythinischen Felder verlassen
habe und das ich dich in Sicherheit (im sicheren) sehe. O was ist glücklicher
als gelöste Sorgen, wenn das Gemüt die Last ablegt und wenn wir
ermüdet von der Anstrengung in der Fremde zu unserem Heim zurückkommen
und wenn wir uns auf dem ersehnten Bett ausruhen. Dies ist, was das einzige
für soviel Anstrengung ist. Sei gegrüßt schöne Sirmio
und freue dich über den Hausherrn. Und ihr freut euch, Wellen des
lydischen Sees: Lacht, was auch immer es an Lachen gibt zu Hause.
An Lesbia (51)
Jene scheint mir einem Gott gleich zu sein, jener scheint mir, wenn
es erlaubt ist, sogar die Götter zu übertreffen, der wenn er
dir gegenüber sitzt dich immer süß lachen sieht und hört.
Weil er mir Elendem alle meine Sinne raubt; sobald ich dich Lesbia anblicke,
bleibt mir von meiner Stimme im Mund nichts mehr übrig. Aber die Zunge
ist gelähmt unter den Gliedern fließt eine zarte Flamme hinunter,
die Ohren tönen von ihrem eigenem Klang, von einer doppelten Nacht
werden die Augen bedeckt. Die Muse ist dein Laster Catull, du jubelst und
frohlockst wegen der Muse. Die Muse hat sowohl einstige Könige, als
auch die glücklichen Städte verdorben.
Lesbias Sperling (2)
Sperling, Freude meines Mädchens, mit dem zu spielen, ihn am Busen
zu halten, dem die Fingerkuppe zu geben wenn es ihr danach verlangt und
auf heftigere Bisse herauszufordern pflegt. Weil ich mit meinem glänzenden
Verlangen, ich weiß nicht was beliebt zu scherzen als ein Tröstlein
ihres Schmerzes. Ich glaube dann wird das schwere Brennen zur Ruhe kommen:
Wenn ich doch wie sie selbst mit dir spielen und die traurigen Sorgend
des Herzens lindern könnte !
Des Sperlings Tod (3)
Trauert, oh ihr Liebenden und Liebesgötter und wie viele es an
liebenswerten Menschen gibt.
.......
Liebesglück (5)
Laß uns leben, meine Lesbia, laß uns lieben und laß
uns alle üble Nachrede der Greise geringschätzen. Die Sonne kann
untergehen und wieder aufgehen: Wenn uns einmal das kurze Lebenslicht ausgeht,
dann muß eine einzige ewige Nacht geschlafen werden. Gib mir tausend
Küsse, darauf hundert, dann wieder tausend, dann wieder hundert. Wenn
wir viele tausend Küsse gegeben haben, dann wollen wir diejenigen
verwirren, damit wir nicht wissen oder damit nicht irgend ein Bösewicht
neidisch sein kann, weil er weiß, dass es so viele Küsse gibt.
Ewige Liebe (109)
Du mein Leben, stellst mir in Aussicht, dass zwischen uns eine angenehme
Liebe ewig fortdauern wird. Große Götter macht, dass sie wahrhaftig
versprechen kann und das sie dies aufrichtig und aus ganzem Herzen macht
und das es uns erlaubt ist in unserem ganzen Leben dieses ewige Bündnis
unserer heftigen Freundschaft durchzuhalten.
Enttäuschung (72)
Du sagtest einmal, dass du nur Catull alleine kennst, Lesbia, und das
du Jupiter nicht lieber im Arm halten würdest als mich. Da habe ich
dich geliebt, nicht nur wie ein Volk eine Freundin liebt, sondern wie ein
Vater seine Söhne und Schwiegersöhne liebt. Nun habe ich dich
erkannt; daher wenn ich auch heftiger brenne, bist du dennoch für
mich sehr viel wertloser und leichter. „Wie ist es möglich ?“ fragst
du. Weil das derartige Unrecht einen Liebenden nicht dazu zwingt mehr zu
lieben, sondern weniger Gutes zu wollen.
Abschied von Lesbia (8)
Unglücklicher Catull, hör doch bitte auf dich töricht
zu benehmen und halte doch für verloren was du zugrunde gegangen siehst.
Hell leuchtend strahlten dir einst die Tage, wohin das von uns geliebte
Mädchen ,so geliebt wie sonst keine andere, uns führte. Als dort
jene vielen scherzhaften Dinge, die du wolltest und die das Mädchen
auch wollte, geschahen. Schneeweiß leuchtend strahlte dir die Sonne.
Jetzt will jene nicht mehr. Auch du solltest nicht wollen, du, der du deiner
selbst nicht mächtig bist und laufe nicht der nach die flieht, liebe
nicht du Armer, sondern halte und harre mit unbeugsamer Gesinnung aus.
Lebe wohl Mädchen ! Schon harrt er aus und wird dich nicht aufsuchen
und gegen deinen Willen bitten. Auch du wirst Schmerz empfinden, wenn du
überhaupt nicht gefragt wirst, Verbrecherische wehe dir ! Was für
ein Leben bleibt dir ? Wer wird dich jetzt besuchen ? Wem wirst du schön
erscheinen ? Wen wirst du nun lieben ? Wessen zu sein wird man von dir
sagen ? Wen wirst du küssen ? Wem wirst du die Lippen beißen
? Aber du Catull, der du dazu bestimmt bist, harre aus !
Zwiespalt der Gefühle (85)
Ich hasse und ich liebe. Warum ich dies tue, fragst du vielleicht.
Ich weiß es nicht, aber ich fühle das es geschieht und ich werde
gequält.
(Stephan Bierlein & Sascha Jakobi, 1998)